Thonet: Die Erfinder von Wiener Caféhaus-Stuhl und Freischwinger
von Matthias Schaffer 11. Juli 2011
Die Grundlage für diesen Erfolg bildete die eigens von Michael Thonet erfundene Bugholz-Verarbeitung. Der Name beschreibt die Technik eigentlich schon sehr gut, denn es handelt sich dabei um das kunstvolle Biegen von massivem Holz. Noch im 19. Jahrhundert erlangte der mit dieser Technik hergestellte Buchenholz-Stuhl Nr. 14 Weltruhm unter der Bezeichnung „Wiener Caféhaus-Stuhl“. Durch standardisierte Arbeitsschritte wurde erstmalig in der Möbelherstellung richtige Arbeitsteilung möglich und das machte aus dem Thonet Nr. 14 eines der erfolgreichsten und gelungensten Industrieprodukte überhaupt. Er wurde bis heute rund 60 Millionen Mal verkauft und ist unter dem Namen Thonet 214 – neben einiger Abwandlungen auch in der Originalvariante – selbst heute noch erhältlich.
Auf dem Erfolg des Bugholz-Stuhls aufbauend brachte Thonet danach zahlreiche weitere Bugholz-Möbel auf den Markt, die – wie der Schaukelstuhl Nr. 1 oder der Stuhl 209 mit seinen wundervoll geschwungenen Armlehnen – zum Teil ebenfalls Kultstatus erlangten.
In den 1930er Jahren begann das Unternehmen neben den Holzstühlen auch Stahlrohr-Möbel herzustellen und traf damit abermals den Nerv der Zeit. Die Kreationen wurden als „Neue Sachlichkeit“ bekannt und von namhaften Architekten wie Mies van der Rohe, Marcel Breuer, Le Corbusier oder Mart Stam entworfen. Letzterem wird die Erfindung einer der bedeutendsten Kreationen zugeschrieben: des sogenannte Freischwingers. Dieser Stuhl wurde erst durch die Flexibilität des kalt gebogenen Stahlrohrs möglich und es gibt ihn in zahlreichen Ausführungen, wie beispielsweise den S55 oder den S33, der als erster Freischwinger der Möbelgeschichte gilt.
Bei so vielen Design-Klassikern ist es kein Wunder, dass Thonet auch immer wieder eine Inspirationsquelle für andere Designer war und auch heute noch ist. So hat beispielsweise das niederländische Label Vroonland unlängst bekannte Design-Klassiker neu gestaltet und darunter befinden sich einige Modelle von Thonet, wie die bereits vorgestellten Thonet 214 und Thonet 209.
Heute ist Thonet ein Familienunternehmen in der fünften Generation und vielleicht macht ja auch das einen Teil des anhaltenden Erfolgs aus. Neben den zahlreichen Klassikern werden auch immer wieder aktuelle Möbel-Kollektionen produziert und die Liste der bekannten Designer, die schon für Thonet gearbeitet haben, wird länger und länger.
Dass auch die neuen Kreationen einiges zu bieten haben, beweisen nicht zuletzt die zahlreichen Preise, die das Unternehmen in den letzten Jahren erhalten hat. So wurden das Regalsystem 7000 des Designbüros f/p aus München, die Holztische 1580 von Claudio Bellini und das Stuhlprogramm 130 des japanischen Designers Naoto Fukasawa mit dem begehrten iF product design award 2011 ausgezeichnet. Letzteres erhielt außerdem noch den Gold Award 2010 des Deutschen Designer Clubs. In der Kategorie Objektmöbel konnte Thonet des Weiteren den Architects Partner Award 2010 in Silber einfahren. So gesehen ruht sich der Möbeldesign-Hersteller auf bereits erworbenen Lorbeeren definitiv nicht aus.
Wer übrigens nach einer Erbschaft oder einem erfolgreichen Flohmarktbesuch einen Thonet in den Händen hält, kann diesen durch eine sogenannte Echtheitsbestimmung direkt von Thonet überprüfen lassen. Dafür müssen lediglich aussagekräftige Bilder an das Unternehmen geschickt werden und im Gegenzug erfolgt dann der Nachweis um welches Modell es sich dabei handelt und aus welchem Jahr es stammt. Und da ein „Wiener Caféhaus-Stuhl“ der ersten Stunde heute sicher so einiges wert sein dürfte, könnte sich das für den Besitzer durchaus lohnen!
0 Kommentare